Der Nationale Rat der italienischen Psychologenkammern hat eine Studie in Auftrag gegeben, die das Istituto Piepoli dieser Tage beendet hat. Nach 6 Wochen Lockdown sind psychische Folgeschäden deutlich: 72% aller Italiener leiden ausgeprägt unter der Krise, am stärksten trifft es Frauen zwischen 35 und 55. Angststörungen führen die Liste der Beschwerden mit 42 % an, ganz offensichtlich die Angst um die eigene Gesundheit , um das Überleben und um Angehörige.
Vor Covid litten in Europa 14% aller Menschen an Angststörungen, wie eine breit angelegte Metaanalyse von Wittchen 2010 ergab. Zur Zeit klagen 24% der befragten Italiener an Schlafstörungen, normalerweise sind es 7%. Depressionen, die vorher zu 6,9% vorkamen, und im Europa vor Covid die zweitwichtigste Krankheit nach Herz-Kreislaufbeschwerden darstellten, sind in Italien auf 18% angestiegen und schlagartig die bedeutsamste Störung jenseits von Covid geworden. 22% der Italiener klagen über große Reizbarkeit, 14% beschreiben Partner- und Familienkonflikte, 10% Essstörungen. Nur 28% sind mit dem Leben in der Krise versöhnt.
Die Umstände, die am meisten belasten, sind zu 51% die mangelnden sozialen Kontakte, zu 31% reine psychische Belastungen, zu 27% der Bewegungsmangel an der Frischluft, zu 24% räumliche Enge, zu 20% Arbeitsmangel, zu 9% erzwungenes Zusammenleben.
In Deutschland hat die Covid snapshot Monitoring Studie COSMO, die bundesweit Daten über Mneschen in der Krise zusammenträgt, soeben etwas andere Ergebnisse erbracht. Im Vordergrund der Beeinträchtigungen stehen auch dort Angststörungen, die ja auch die weltweit häufigsten seelischen Beschwerden darstellen, und in der Krise dramatisch anwachsen.
Sie betreffen aber am stärksten junge Männer zwischen 30 und 40, die in der rush-hour des Lebens stehen und mit beruflicher Kariere und sozialer Anerkennung beschäftigt sind. Beides ist im Augenblick durch den lockdown, der in Deutschland ja etwas sanfter geschieht als in Italien, gefährdet. Berufliche und wirtschaftliche Zukunftssorgen beschäftigen überhaupt die Deutschen mehr als die Angst um den möglichen Tod ihrer Angehörigen, die Rezession ist ihr Schreckgespenst. Die Isolation verstärkt die Angst, das zunehmende Alter hingegen mindert sie: Deutsche beiderlei Geschlechts über 60 haben weniger Angst um ihre eigene Gesundheit und noch weniger um wirtschaftlichen Ruin.
Für Italien sagt David Lazzari, der Präsident der Nationalen Psychologenkammer, eine vor allem psychische Notsituation voraus. Die besten wissenschaftlich belegten Mittel, damit umzugehen, seien psychologische Eingriffe und Psychotherapien. Darauf sei Italien aber nicht vorbereitet, 80% aller Betroffenen riskierten im Augenblick, ohne geeignete Hilfe zu bleiben.
Enrico Zanalda, Präsident der italienischen Gesellschaft für Psychiatrie, unterstreicht, wie rasch die psychiatrischen Dienste ihre Tätigkeit auf das Telefon, Skype, whatsapp und Internet verlagert haben, um psychisch Kranken trotz mangelnder persönlicher Kontakte beizustehen. Dennoch nimmt der Verbrauch von Beruhigungsmitteln deutlich zu. Psychisch Kranke, erklärt er, sind auch aufgrund ihrer Zigarettenrauchgewohnheiten stärker gefährdet, schwer an Covid zu erkranken.
Ulrich Hegerl, der Präsident der European Alliance Against Depession mit inzwischen weltweiter Verbreitung und Sitz in Leipzig, ergänzt: „Depression ist die zweitgrößte Gefahr nach Covid. Bei Depression darf nicht auf Psychotherapie und auf antidepressive Medikamente verzichtet werden. Depression ist kein Fall für Schokolade.“
Für die European Alliance Against Depression in Südtirol im Rahmen des Hilfsnetzwerks Psyhelp Covid19
Roger Pycha und Sabine Cagol