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„Das Bourne Vermächtnis“ – Ein Bourne-Film ohne Bourne?
Titel (Original): The Bourne Legacy
Regie: Tony Gilroy
Erscheinungsjahr: 2012
Hauptdarsteller: Jeremy Renner, Rachel Weisz, Edward Norton
Genre: Action, Thriller, Science-Fiction-Elemente
Worum geht’s?
„Das Bourne Vermächtnis“ spielt parallel zu den Ereignissen von Das Bourne Ultimatum. Die CIA ist damit beschäftigt, das Bourne-Desaster zu vertuschen und sämtliche Geheimprojekte zu schließen – inklusive „Outcome“, einem Programm zur genetischen Verbesserung von Agenten.
Aaron Cross (Jeremy Renner), ein Outcome-Agent, gerät ins Visier, weil seine Existenz zu einer Gefahr für die Behörde werden könnte. Zusammen mit der Wissenschaftlerin Marta Shearing (Rachel Weisz) kämpft er ums Überleben – und um die Kontrolle über die Medikamente, die ihn stärker, schneller und intelligenter machen.
Was macht den Film besonders – oder eben nicht?
1. Aaron Cross vs. Jason Bourne:
Cross ist kein Bourne. Er hat kein Gedächtnisproblem, keine Identitätskrise. Er will schlicht überleben. Und seine Pillen.
Ob das eine spannende Motivation ist? Darüber kann man streiten. Es fehlt einfach diese existenzielle Schwere, die Bourne als Figur so faszinierend gemacht hat.
2. Die Welt wird erweitert:
Gilroy versucht, das Bourne-Universum zu vergrößern:
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Statt Gedächtnisverlust geht es um genetische Optimierung.
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Statt CIA-Schattenmännern treten ganze Geheimprogramme in den Fokus.
Klingt ambitioniert. Aber:
Verliert sich der Film vielleicht in zu viel Wissenschafts-Geblubber und vergisst dabei die emotionale Verbindung zum Zuschauer?
3. Inszenierung und Tempo:
Handwerklich sauber, solide Action – aber die Energie von Paul Greengrass‘ wilder Kameraarbeit fehlt. Statt nervösem Realismus wirkt der Film oft glatt, fast steril.
Will man das? War das nicht gerade der Punkt bei Bourne – dass es sich „echt“ anfühlte?
Themen und Untertöne:
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Technologische Überwachung:
Wieder ein Thema. Aber diesmal geht’s mehr um Biotechnologie als um digitale Kontrolle. -
Systemkritik light:
Ja, die Geheimdienste sind böse. Aber irgendwie wirkt das in Vermächtnis eher wie ein Häkchen auf der To-Do-Liste als eine echte Auseinandersetzung.
Und ganz ehrlich:
Ohne Bourne fühlt sich die Systemkritik plötzlich erstaunlich hohl an. Weil Cross nie wirklich dagegen rebelliert – er will nur überleben. Keine Revolution. Kein Aufbegehren. Nur Flucht.
Fazit:
„Das Bourne Vermächtnis“ ist ein technisch gut gemachter Thriller, der versucht, die Bourne-Welt auszuweiten – und dabei genau das verliert, was sie ausmachte:
Persönliche Tragik, emotionale Tiefe, moralische Zerrissenheit.
Stattdessen gibt’s Pillen-Plot, Action-Szenen und Jeremy Renner, der sein Bestes gibt, aber das Loch, das Matt Damon hinterlassen hat, einfach nicht füllen kann.
Provokante Frage:
Hätte der Film überhaupt „Bourne“ im Titel tragen dürfen – oder wäre er als eigenständiger Sci-Fi-Thriller ehrlicher gewesen?
Vergleich: Die Bourne-Filme – Stil, Story, Substanz
Film | Regie | Ton & Stil | Fokus | Kritische Betrachtung |
---|---|---|---|---|
Die Bourne Identität (2002) | Doug Liman | Düster, ruhig, stilvoll | Gedächtnisverlust, Identitätssuche | Setzt den Ton. Aber noch stark vom Agenten-Genre geprägt. |
Die Bourne Verschwörung (2004) | Paul Greengrass | Hektisch, roh, dokumentarisch | Vergeltung, Trauma, Systemkritik | Wird politischer. Oder einfach nur kälter? |
Das Bourne Ultimatum (2007) | Paul Greengrass | Noch intensiver, fast hyperaktiv | Auflösung, Selbstermächtigung | Gilt als Höhepunkt. Aber verliert sich fast in der Technik. |
Das Bourne Vermächtnis (2012) | Tony Gilroy | Neuer Held, neue Drogenstory | Biotechnologie, Kontrolle | Meh. Viele Fragezeichen, wenig Spannung. |
Jason Bourne (2016) | Paul Greengrass | Rückkehr zu Altbekanntem | Datenüberwachung, Vater-Sohn-Thema | Teilweise bemüht, wirkt fast wie ein Echo. |
Fazit des Vergleichs:
„Die Bourne Verschwörung“ ist der Kipppunkt. Hier verlässt die Reihe die klassische Agentenstruktur und wird fast schon politisches Kino – zumindest oberflächlich. Danach wird’s technischer, schneller, aber auch beliebiger. Ironisch, wenn man bedenkt, dass der Held eigentlich langsamer werden müsste, je mehr er sich erinnert…
Roman vs. Film: Robert Ludlum vs. Hollywood
Die Romane von Robert Ludlum sind politisch, komplex, verschachtelt – und deutlich wortreicher. Bourne ist im Buch kein schweigsamer Einzelgänger, sondern ein zerrissener Intellektueller. Die Bücher spielen viel mit Identität, doppelten Realitäten und moralischen Grauzonen. Der erste Roman erschien 1980, also noch mitten im Kalten Krieg – das prägt die Atmosphäre.
Was Hollywood verändert hat:
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Mehr Action, weniger Politik:
Im Buch geht’s u. a. um Carlos, den Schakal – ein echter Terrorist. Die Filme haben diese Figur gestrichen. Warum? Zu kompliziert? Zu politisch? -
Weniger psychologischer Tiefgang:
Im Roman hadert Bourne viel mehr mit dem, was er war und ist. Im Film ist es mehr stille Wut. Funktioniert fürs Kino – aber es verliert Tiefe. -
Figuren reduziert:
Komplexe Nebencharaktere wie Dr. Washburn oder Bournes Mentoren wurden gestrichen oder umfunktioniert. Klar, filmisch verständlich – aber ein Verlust.
Abschließende Gedanken:
Die Bourne-Filme (v. a. Teil 2) sind vielleicht weniger „smart“ als sie wirken wollen, aber sie haben das Action-Genre merklich beeinflusst. Ohne Bourne? Kein Craig-Bond, keine nervösen Action-Kamerafahrten, kein grüblerischer Held im Mainstreamkino.
Aber: Reicht das, um sie als neue Klassiker zu feiern? Oder sind sie am Ende doch nur die bessere Version eines altbekannten Konzepts?